Nachlese Bern 21./22.6.2024 und Working Group Soteria (ISPS)

Unter großer Beteiligung fand am 20./21.6.2024 das 40-jährige Jubiläum der Soteria Bern statt. Ehemalige Nutzer, Angehörige und auch Mitarbeiter:innen (mit zum Teil eigener Krisenerfahrung) beschrieben eindrücklich, wie Soteria ihre jeweiligen Interessen und Bedürfnisse zu einem gemeinsamen Vorgehen verknüpft. Diese gelebte Form des Open Dialogue ist einer der Gründe, warum die Soteria Bern, so Regierungsrat Pierre Alain Schnegg und WHO-Abteilungsleiterin Michelle Funk, von der WHO als vorbildliches Praxisbeispiel für eine menschenrechtsbasierte und Recovery-orientierte Behandlung geehrt wurde.

Dr. Walter Gekle, Leiter der Soteria Bern

Walter Gekle und sein Team hatten erstmals auch Gäste aus Soteria-Häusern und -Initiativen aus Belgien, den Niederlanden, Großbritannien und Israel eingeladen, die in ihren Beiträgen anschaulich über ihre Projekte berichteten. So schilderte Pesach Lichtenberg eindrücklich den fast 10-jährigen Prozess der Eröffnung der ersten Soteria, der sich jedoch als lohnenswert herausgestellt hat: Mittlerweile existieren dort knapp 30 Stationen, die sich den Soteriaprinzipien verschrieben haben. Viel schwieriger stellt sich dieser Prozess in Großbritannien dar, weil dort hohe Hürden für die Zulassung neuer Behandlungsangebote gestellt werden. Dort etabliert sich gerade eine Kooperation zwischen Angehörigen, Betroffenen und der Universität Manchester, um einer Implementierung näher zu kommen. Dag van Wetter berichtete über die trialogische Vereinigung El Camino Bekegem, die als Graswurzelbewegung Betroffene, Angehörige und Profis zusammenbringt und eine Soteria als einen festen Bestandteil des flämischen Gesundheitssystems etablieren will. Im wissenschaftlichen Teil der Tagung zeigte Dusan Hirjak vom Zentralinstitut für seelische Gesundheit Mannheim auf, wie man Soteria mit moderner Forschung kombinieren kann und Pien Leandertse aus den Niederlanden, wie Soteria viele Prinzipien der Recovery-Forschung umsetzt.

Im Rahmen der öffentlichen Vereinssitzung der IAS am Samstag wurde den scheidenden Vorstandsmitgliedern Simon Schlanser und Alex Gogolkiewitz herzlich gedankt. Mit Roswitha Hurtz verabschiedete sich zudem eine der Mitbegründerin und über viele Jahre herausragende Führungsperson aus der aktiven Vorstandsarbeit, die jedoch weiterhin als Beraterin zur Verfügung stehen wird. Neu hinzu kommt Renate Jackstadt aus der neugegründeten Station mit Soteria-Elementen in Neuss. Nachfolgerin als Schatzmeisterin wird Ines Göttler aus München. Martin Voss, Walter Gekle und Daniel Nischk engagieren sich weiter im Vorstand.

Was bleibt?

Selten war eine Jahrestagung so gespickt mit Anregungen und Inspirationen: Um die internationale Kooperation auf eine neue Stufe zu stellen, soll nun eine Arbeitsgruppe innerhalb der International Society for Psychological and Social Approaches to Psychoses (ISPS) gegründet werden. Dies eröffnet auch Menschen aus anderen Ländern und Erdteilen an der Entwicklung und Verbreitung des Soteria-Gedankens teilzuhaben. Die ISPS insgesamt steht dem Soteria-Gedanken sehr nah und ist deshalb auch für viele aus IAS eine fortfauernde Inspiration und auch ein Taktgeber für eine recoverorientierte und menschenrechtsbasierte Behandlung von Menschen mit Psychosen. Mitmachen ist einfach: Werden Sie Mitglied in Ihrer regionalen Sektion der ISPS, z.B. in der Schweiz oder in Deutschland und melden Sie sich zusätzlich bei Walter Gekle (Walter.gekle@upd.ch) oder Daniel Nischk (d.nischk@zfp-reichenau.de) an.

Letzter Ausweg Psychose

In der Südddeutschen Zeitung erschien jüngst ein lesenswerter Artikel über den Umgang eines jungen Mannes mit Psychose und wie er – u.a. durch seinen Aufenthalt in der Soteria Berlin – neue Kraft schöpfte. Den Artikel finden Sie hier.

Station mit Soteria-Elementen in Neuss

Am 18.3.2024 konnten sich Martin Voss (Soteria Berlin) und Daniel Nischk (Soteria Reichenau) von den erfreulichen Fortschritten, die Renate Jackstadt und ihre Kolleg:innen auf der Station mit Soteria-Elementen in Neuss gemacht haben, ein Bild machen: In den vergangenen Monaten hat sich die Station des Alexius-Krankenhaus nicht nur in den Köpfen gefestigt, sondern auch im Klinikumfeld verankert. Die gehobene, sehr komfortable Ausstattung der ehemaligen Privatstation ist nun mit Leben und Alltag gefüllt. 13 Patient:innen haben Platz; zum Reizschutz und zur Begleitung in akuten Krisen stehen ein weiches Zimmer und weiterer Ruheraum zur Verfügung. Mitarbeitende und Patient:innen sind sehr zufrieden und stolz – und dürfen es sein: Das Behandlungsteam zeigt einmal mehr wie der Soteria-Gedanke sinnvoll in die moderne Klinikstrukur integriert werden kann und somit einen Beitrag zur Verbesserung der Versorgungsstruktur beitragen kann. Als Station mit Soteria-Elementen setzt das Angebot in Neuss einen sehr hohen Standard, der als positives Beispiel entstehende Soteria-Initiativen beeinflussen kann.

Soteria Zwiefalten/ Jahrestagung 2024

Leider erreichte uns in den vergangenen Tagen eine schlechte Nachricht: Die Soteria Zwiefalten wird leider Ende dieses Jahres geschlossen. Als Gründe wurden von der Klinikleitung mangelnde Belegung und eine Neuausrichtung des Klinikangebotes genannt. Chefarzt Alex Gogolkiewitz und sein Team sind natürlich schockiert über diese Nachrichten, auch wenn sich diese Entwicklung schon länger andeutete, denn leider war es trotz intensiver Bemühungen seines Teams nicht gelungen, die Zuweisungen Psychosebetroffener zu erhöhen. Sein Dank gilt insbesondere dem engagierten Team, die die Soteria viele Jahre begleitet und mit Leben gefüllt haben. Die Soteria Zwiefalten war 1999 die erste Soteria in Deutschland und daher Vorbild für die nachfolgenden Projekte in München, Reichenau und Berlin.

Aufgrund dieser Entwicklung kann deshalb auch die Jahrestagung nicht wie angekündigt in Zwiefalten ausgerichtet werden. Die diesjährige IAS-Jahrestagung wird deshalb als Teil des 40-jährigen Jubiläums der Soteria in Bern am 21.-22.6.2024 stattfinden. Walter Gekle und sein Team haben für den Freitag, 21.6..2024, ein sehr interessantes Programm auf die Beine gestellt, zu dem auch Soteria-Initiativen aus Israel, England und den Niederlanden eingeladen sind. Alle notwendigen Informationen finden Sie im Flyer. Um zeitnahe Anmeldung wird gebeten, da die Teilnehmerzahl begrenzt ist. Bitte nutzen Sie dazu die Online-Registrierung über den QR-Code im Flyer. Die öffentliche Vereinssitzung findet dann am Samstag 22.6. zwischen 10-13h in der Geschäftsstelle der IGS statt (hier die Einladung).

Wir freuen uns auf ein Wiedersehen in Bern!

Psychose subjektiv

Wie Menschen mit Psychose erleben, ist für Menschen ohne diese Erfahrung oft kaum vorstellbar. Umso bedeutsamer sind Berichte von Betroffenen. Im Blogbereich dieser Seite findet sich nun ein äußerst interessanter Bericht, in dem ein Betroffener und seine Mutter ihre Sicht über Psychose und Behandlung erklären: lehrreich, bewegend und trotz allem mit einer einer Prise Humor – ein Höhepunkt der letztjährigen Soteria-Tagung in Berlin. Das Thema findet aber auch in der aktuellen medialen Berichterstattung seinen Widerhall: Lesen Sie z.B. den beeindruckenden Bericht in der TAZ.

10 Minuten gegen Stigmatisierung

Fast 50 % aller Menschen sind irgendwann in ihrem Leben psychisch krank. Trotzdem: Betroffene zögern, sich anzuvertrauen und Hilfe zu suchen, was Minderwertigkeitsgefühle und Hoffnungslosigkeit verstärkt.  Menschen mit psychischen Problemen, in die Gesellschaft zu integrieren, ist unser gemeinsames Anliegen. Um das zu erreichen, müssen wir die Gründe für Benachteiligung und Stigmatisierung noch besser verstehen.

Die Konstanzer Suchttherapeutin Almut Raabe, Prof. Daniela Mier (Uni Konstanz) und Daniel Nischk von der IAS untersuchen, wie wir Urteile über Menschen mit psychischen Problemen bilden. Jeder kann bei dieser Online-Untersuchung mitmachen und in nur 10 Minuten einen kleinen Beitrag gegen Stigmatisierung leisten. Zu weiteren Informationen und zur Teilnahme an der Untersuchung geht es hier.

Ergebnisse werden auch demnächst auf der Webseite der IAS veröffentlicht. Wir freuen uns zudem darüber, wenn Sie auch in Ihrem beruflichen und privaten Kreis auf diese Untersuchung hinweisen.

Ausschreibung für den Luc Ciompi-Preis 2024

Im Rahmen des Jahreskongresses der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP) vom 12 bis 13 September 2024 in Bern wird der “SO-PSY Luc Ciompi Preis” verliehen, um wertvolle Forschungsarbeiten zu würdigen, die die humanistische und wissenschaftliche Vision des Gründers weiterführen. Die prämierten Themen betreffen die Rolle der Interaktion zwischen Emotionen und Kognitionen für das Verständnis und die Behandlung von Psychosen sowie psychosoziale Ansätze, die die soziale Inklusion und die Verwirklichung eines erfüllten Lebens fördern. Besonderes Augenmerk wird auf Forschungsarbeiten gelegt, bei denen Expertenpatienten in allen Phasen von der Konzeption bis zur Veröffentlichung beteiligt sind. Nach vier Ausgaben des “Luc Ciompi Preises” wird die Schweizerische Gesellschaft für Sozialpsychiatrie (SO-PSY) ab 2023 die Fortführung des Preises unter dem Namen “SO-PSY Luc Ciompi Preis” sicherstellen. Relevante Arbeiten können bis zum 31. Dezember 2023 auf elektronischem Weg beim Sekretariat der SOPSY (contact@so-psy.ch) eingereicht werden. Neben einem kurzen Lebenslauf des Hauptautors sollten sie eine maximal halbseitige Beschreibung der Bedeutung der eingereichten Arbeit für das genannte Problem enthalten. Das Preisreglement und ausführlichere Informationen sind auf psychiatrie.ch, ciompi.com und so-psy.ch verfügbar.

Nachlese der IAS-Tagung am 6./7.10.2023 in Berlin

Jahrestagung, 10-jähriges Jubiläum, neue Räumlichkeiten – viel zu tun für die Mitarbeitenden der Soteria Berlin. Trotzdem war das Programm, das das Team um Götz Strauch und Martin Voss auf die Beine gestellt hat, sehr beeindruckend. Und mehr als 200 Gäste aus ganz Deutschland waren angereist, um unter dem Titel „Ansichtssache Psychose“ das Phänomen Psychose aus dem Blickwinkel der Betroffenen, der Angehörigen sowie aus verschiedenen professionellen Perspektiven zu diskutieren.

Martin Voss (l.) und Götz Strauch (r.) bilanzieren nach 10 Jahren Soteria Berlin

Besonders berührend waren die sehr persönlichen Schilderungen eines Patienten der Soteria und seiner Mutter über ihre schwierigen Erfahrungen mit dem Gesundheitswesen in Zeiten der akuten Krise. Thomas Fuchs, Philipp Sterzer und Dorothea von Häbler widmeten sich dem Thema Psychose aus phänomenologischer, neurowissenschaftlicher und tiefenpsychologischer Sicht. Ein besonderes Highlight war die Vorstellung eines Filmbeitrages, der die künstlerische Auseinandersetzung von vier Betroffenen mit Stimmenhören dokumentierte. Dieser Film des Popup-Instituts kann hier angeschaut werden. So unterschiedlich die Beiträge, doch so einhellig bekräftigten alle Referent:innen die zentrale Bedeutung der Beziehungsgestaltung in der Soteria. Die Beziehungen der Mitarbeitenden zu ihren Patient:innen sei „unverbrüchlich“ und immer „wohlmeinend“ – ein fortwährende, jedoch unbedingt lohnende Herausforderung, fasste Pieter Hutz, der langjährige Supervisor der Soteria Berlin, treffend zusammen.

Luc Ciompi (2. v.l.) besucht die neuen Räumlichkeiten der Soteria Berlin

Auf der Vereinssitzung am Samstag wurden viele erfreuliche Entwicklungen innerhalb der IAS berichtet. Mit einer Station mit Soteria-Elementen in Neuss bekommt die Soteria-Familie nun bald erneut Zuwachs. In München steht nach personellem Umbruch ein Neustart bevor. Und in Friedberg wird gezeigt, wie der Soteria-Gedanke auch unter den schwierigen Umständen einer Akutstation einen Beitrag zu hoffentlich weiteren Veränderungen in Richtung Soteria leisten kann. Zudem vernetzt sich die IAS nun zunehmend mit spannenden Soteria-Projekten in Belgien, Großbritannien und besonders Israel.

Zum 40-jährigen Bestehen der Soteria Bern findet im kommenden Jahr (20.-22.6.2024) ein große Tagung in Bern statt, die sicher auch die Möglichkeit bietet mit den Kolleg:innen aus Soteria-Einrichtungen aus anderen Ländern in Austausch zu treten. Die kommende Jahrestagung 2024 findet dann im Oktober in Zwiefalten statt, wo das 25-jährige Jubiläum ansteht.

Die Protokolle der Vereinssitzung und des offenen Forums finden Sie hier.

IAS-Jahrestagung am 6./7. Oktober 2023 in Berlin

Zum zehnten Geburtstag der Soteria Berlin haben Martin Voss und sein Team ein beeindruckendes Programm auf die Beine gestellt. Bei der Tagung am Freitag soll – passend zum trialogischen Geist der Soteria – das Phänomen Psychose aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden. Neben Betroffenen und Angehörigen werden mit Philipp Sterzer, Thomas Fuchs und Dorothea von Haebler drei ausgewiesene Experten zu Wort kommen und versuchen, neurobiologische, phänomenologische und psychotherapeutische Ansätze gegenüberzustellen und zu verbinden. Am Samstag findet die öffentliche Mitgliederveranstaltung der IAS statt mit Informationen aus dem Verein und diesjährigen Aktivitäten.

Alle wichtigen Informationen finden Sie im Flyer.

Vorlesungsreihe “Mensch bleiben” am UKE Hamburg

Prof. Dr. Thomas Bock aus Hamburg ist bekannt durch seinen jahrelangen Einsatz für die Inklusion psychisch Kranker in der Gesellschaft. In seiner Vorlesungsreihe interviewte er kürzlich eine Psychosebetroffene über ihre Erfahrungen in der Soteria. Dr. Martin Voss, Leiter der Soteria Berlin, erklärt, warum Soteria nicht nur angenehmer für Betroffene sondern auch therapeutisch die bessere Alternative ist. Den Film sehen Sie hier.